Nur noch kurz die Welt retten

Warum hilfsbereite Menschen nicht befördert werden

⏱Lesedauer: etwa 4 Min


Neulich hatte ich ein Coaching mit einem Herrn der seit vielen Jahren im Personal arbeitet. Der Grund für das Coaching war, dass er aktuell krank geschrieben ist wegen Verdacht auf Burnout und er in dem Coaching erarbeiten wollte, wie es für ihn bei der Rückkehr weitergehen soll. Er bekam rote Flecken am Hals, wenn er nur daran dachte wie viele E-Mails ihn in seinem Postfach erwarten. "Mindestens um die 1000 und da sind sämtliche Nachrichten in "cc" bereits rausgefiltert." Das ist schon mal ein Anfang.


In dem Coaching kam relativ schnell heraus, dass er seinen Wert und seine Anerkennung aus dem Helfen anderer Menschen zieht. Schade ist es allerdings wenn diese sehr positive Eigenschaft auf der einen Seite ausgenutzt wird und es dazu führt, dass man vor lauter Anfragen, seine eigene Arbeit nicht mehr schaffen kann.


Das Gefühl anderen nicht gerecht werden zu können.


Kennst du das auch?

Anderen Menschen zu helfen, ist wichtig und eine gute Charaktereigenschaft. So haben viele von uns das als Kinder gelernt.


Aber wenn diese Hilfsbereitschaft dir selbst am Ende schadet, weil du dich völlig für andere verausgabst und gleichzeitig keine Anerkennung, Wertschätzung oder Dankbarkeit zurückerhältst – schlimmer noch, sogar bei Beförderungen und Gehaltserhöhungen wegen der vielen Arbeit übersehen wirst, dann wird es Zeit daran etwas zu verändern.


Übrigens woher die Selbstüberschätzung kommt und wie du sie in den Griff bekommst, das erfährst du hier.


Daher möchte ich dir in diesem Artikel drei Fragen mit an die Hand geben, die du dir in Zukunft vor jeder Anfrage selber stellen solltest.

Hilfsbereite Menschen sind sehr erfolgreich aber was macht den Unterschied?


Ob du es glaubst oder nicht, du gehörst schon zu der Gruppe Menschen, die am erfolgreichsten sind!


Ja, ich weiß. Es klingt ein wenig paradox, denn wir als ständige Gebermenschen erleben es ja gerade, dass wir nicht befördert werden und keine Anerkennung erhalten.


Wie können wir dann die Erfolgreichsten sein?


Adam Grant ist ein US-amerikanischer Psychologe mit dem Schwerpunkt auf Organisationspsychologie. Er hat international eine Studie durchgeführt mit der Frage: “Welche Menschentypen sind die erfolgreichsten?”


Dabei hat er drei Gruppen identifiziert:


1. Die Giver: Menschen, die gerne und häufig helfen

Diese Menschen zeichnen sich durch ihre Bereitschaft aus, anderen zu helfen, ohne sofortige Gegenleistungen zu erwarten. Sie sind persönlich engagiert und unterstützen Kolleg:innen und Kund:innen.

 

2. Die Matcher: Menschen, die Geben und Nehmen ausbalancieren

Matcher handeln nach dem Prinzip: "Wie du mir, so ich dir" und erwarten im Gegenzug für ihre Hilfe ebenfalls Hilfe. Sie berücksichtigen das Geben und Nehmen in ihren Interaktionen.

 

3. Die Taker: Menschen, die vor allem nehmen

Taker nehmen häufig von anderen, ohne viel zurückzugeben. Sie konzentrieren sich auf ihre eigenen Interessen und Karriereziele.


💡Aha: Unter diesem Link kannst du dir die Zusammenfassung des Buches hier auf YouTube anschauen. Sie ist zwar in englisch aber der Inhalt ist sehr verständlich aufbereitet. 💡

Das macht erfolgreiche "Giver" aus


Grant fand heraus, dass Giver auf der einen Seite diejenigen sind, die am wenigsten erfolgreich in der Berufswelt sind - das kennst du und das wundert dich nicht ;-) - aber gleichzeitig und das war für mich augenöffnend, stellte er fest, dass die Giver in verschiedenen Berufsgruppen auch am erfolgreichsten sind.


Über 50 % der Vertriebsmitarbeiter:innen, die Giver waren, erzielten 50 % mehr Umsatz als ihre weniger großzügigen Kolleg:innen. Student:innen, die als Giver agierten, waren um 11 % erfolgreicher als ihre Mitstudierenden. Ingenieur:innen, die Giver waren, erhielten die besten Performance-Bewertungen.

Doch was brauchen die Giver, um erfolgreich zu sein und sich selbst nicht zu verausgaben?

Diese drei Fragen solltest du dir vor jeder Anfrage stellen:


Giver stellen sich drei Fragen, wenn sie um Hilfe gebeten werden:


1. Wem kann ich helfen?

Kann ich der Person überhaupt helfen? Und wer ist die Person? Ist sie da, wenn ich Hilfe brauche? Kann ich mich auf sie verlassen? Wie ist unsere Beziehung?

 

2. Warum möchte ich helfen?

Was ist meine innere Motivation? Was habe ich davon, dieser Person zu helfen?

 

3. Wann kann ich helfen?

Wie sind deine Prioritäten? Hast du gerade eine wichtige Aufgabe, die dringend ist und heute noch fertig werden muss? Dann nenne deinem Gegenüber eine Zeitpunkt, wann es dir möglich ist, ihr/ ihm zu helfen.


Priorisieren und deine Prioritäten zu kommunizieren, ist wichtig. Bei Kolleg:innen vielleicht noch einfach, doch was passiert, wenn der Chef /die Chefin ständig mit neuen Aufgaben kommt und um Hilfe bittet?


Die Priorisierung der Aufgaben übernimmt dein/ deine Chef:in

Lass sie/ ihn priorisieren. Sag ihr/ihm, woran du gerade für sie/ihn arbeitest und dass du keine Zeit für andere Dinge hast, wenn diese Aufgabe rechtzeitig fertig werden soll. Wenn es für deine Chefin / deinen Chef wichtiger ist, dass die neue Aufgabe erledigt wird, dann sag ihr/ihm klar, dass sie/er dann auf das Ergebnis der anderen Dinge warten muss. Hole dir das Einverständnis. Du schlägst damit zwei Fliegen mit einer Klappe:

  1. Endlich merken deine Vorgesetzte, wie viel du zu tun hast und denken vielleicht mal darüber nach dich zu entlasten, weil du ihre Aufgaben auch nicht sofort fertig machen kannst. Das ist nämlich auch ein Problem von uns hilfsbereiten Menschen - wir kommunizieren nicht was wir alles zu tun haben und dadurch drücken uns andere immer mehr auf.
  2. Durch das Abgeben der Verantwortung entlastest du dich selbst. Wenn du eine Chefin / einen Chef hast, der ständig mit neuen Dingen (oder Einfällen) um die Ecke kommt und dich damit von deiner Arbeit abhält, dann merkt sie/ er auch selber warum die Dinge nicht fertig werden bzw. du kommunizierst es ja ganz offen.

Gebe hier die Verantwortung der Entscheidung an sie/ihn zurück.


Der Gamechanger aus meiner Sicht ist die Frage nach dem "Wann". Neigst du dazu immer direkt aufzuspringen wenn du um etwas gebeten wirst. Warum? Ist das woran du gerade arbeitest etwa nicht wichtig?

Natürlich ist es das!


Wer trifft also die Entscheidung wann du Zeit hast? Du!


Jetzt sollst du natürlich nicht zu einer der Personen mutieren, die nie Zeit hat und die bloß niemand ansprechen soll.

Der Unterschied ist, Du entscheidest wann du Zeit hast.

Das könnte so ablaufen:


  • Kollege: Bastian, Kannst du mir kurz erklären wie man bei Teams ein Meeting aufsetzt?
  • Bastian: Klar, das kann ich gerne machen. Ich schau mal kurz in meinen Kalender (schaut in den Kalender), also um 14:00 Uhr habe ich aktuell nichts drin stehen und könnte dann vorbei schauen.
  • Kollege: Ja das hilft mir ja nicht, ich brauche ja jetzt eine Info.
  • Bastian: Das verstehe ich, und du kannst bestimmt auch verstehen, dass ich mich hier erst um diese Sache kümmern muss. Wie gesagt, danach kann ich gerne vorbei schauen.
  • Kollege - Variante 1: Ja ist gut, dann mach ich in der Zeit was anderes und dann sehen wir uns um 14:00 Uhr.
  • Kollege - Variante 2: Ne ist gut, ich wollte ja nur kurz was fragen, aber dann frage ich jemand anderes.
  • Bastian: Prima, mach das.


Nein heißt "Später" oder "Schick mir eine E-Mail!" 


Machst du die selbe Erfahrung, dass die häufigsten Adhoc-Anfragen von Kolleg:innen telefonisch bei dir ankommen?

Warum wohl? Eine E-Mail aufzusetzen und hier das Problem genau zu erläutern, kostet Zeit. Da ist der Anruf meistens effektiver und man kann ja am Telefon die Lösung diskutieren.


Um dem entgegen zu wirken kannst du entweder sagen, dass du dich später bei der Person meldest - das geht auch via Teams ;-) oder du unterbrichst die Person am Telefon und bittest sie, dir das Anliegen kurz in einer E-Mail zu schildern und dann kümmerst du dich gerne darum.


Vielleicht denkst du jetzt gerade: Ist ja alles gar nicht so schwer. Nein, schwer ist es nicht, es kostet dich nur Überwindung es durchzuziehen. Eine Frage die ich meinem Coachee am Ende übrigens noch stellte war: ,,Auf welche zusätzlichen Ressourcen kannst du zurück greifen? Gibt es nicht auch andere, die man Fragen kann oder an die man die Anfrage delegieren kann?"


Ja die gab es und woran er nun arbeiten möchte, ist es sich gut zu fühlen, Anfragen abzulehnen bzw. sie weiterzugeben ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Denn seine Erkenntnis war, wenn er sich nicht die Zeit nimmt, das eigentliche Problem im Unternehmen zu lösen, dann wird sich nie etwas ändern.


Als Giver stellt er sich neuerdings eine vierte Frage: Zahlt diese Anfrage auf die Lösung des Problems ein? Wenn nein, dann kann er sich aktuell nicht darum kümmern.


Wir alle können erfolgreiche Giver werden!

Es ist (d)eine Entscheidung.


Und wenn du dabei ein wenig Unterstützung benötigst, dann lass uns gerne darüber sprechen. Ganz gleich, ob du auf deine nächste Beförderung hinarbeiten, dich komplett neu orientieren möchtest oder gerade auf der Suche nach einer neuen Stelle bist, gemeinsam finden wir den Karriereweg, der nicht nur dein Portemonnaie füllt, sondern auch dein Leben bereichert.

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